Menschen bei FRÖBEL: Tabea Thomaschke und Isabel De La Cruz

Seit Tabea Thomaschke nach dem Abitur eine Zeit in der Dominikanischen Republik verbrachte, lässt sie das Land nicht mehr los. Erstmals mit extremer Armut konfrontiert, wuchs in ihr der Wunsch, zu helfen und die Situation besonders der Kinder vor Ort verbessern.

Mit Gleichgesinnten gründete sie 2011 einen Verein, der inzwischen am Rande der Hauptstadt Santo Domingo ein Kinderhaus mit Schule und Kindergarten für rund 100 Kinder betreibt, darunter viele Flüchtlings- und Waisenkinder aus Haiti. Tabea Thomaschke ist Koordinatorin im FRÖBEL-Kindergarten Wasserkäfer in Hürth und hat in diesem Jahr erstmals eine Erzieherin aus dem Kinderhaus in ihren Kindergarten eingeladen. Wir sprachen mit den beiden darüber, was der Besuch im Kindergarten bewirkt hat. 

Wie kam es zu dem Besuch von Isabel de la Cruz im FRÖBEL-Kindergarten?

Tabea Thomaschke: Bisher habe ich über mein persönliches Engagement im Verein bei der Arbeit nicht gesprochen. Im letzten Jahr nahm ich an einer Fortbildung für Koordinatoren bei FRÖBEL teil und habe dort davon erzählt. Die Kolleginnen und Kollegen haben dort so positiv und begeistert darauf reagiert und mich ermutigt, das ins Team zu tragen. Ich habe daraufhin mit meiner Leiterin gesprochen, die mich auch sofort unterstützt hat. Schnell war die Idee da, eine Kollegin aus Santo Domingo zu uns in den Kindergarten einzuladen. Isabel de la Cruz wurde vom Team hier auch überaus herzlich und mit offenen Armen empfangen.

Wie bearbeiten Sie das Projekt und den Besuch von Isabel de la Cruz pädagogisch mit den Kindern?

Tabea Thomaschke: Ich bin nach wie vor jedes Jahr mehrere Wochen in Santo Domingo und erlebe, wie eklatant sich die Lebensumstände der Kinder hier von denen vor Ort unterscheiden, materiell, aber auch mit Bezug auf Möglichkeiten, zu spielen, zu lernen und sich ihrem Alter gemäß zu entwickeln. Gerade für viele kleine Kinder gibt es kaum Schutz, wenn die Eltern tagsüber arbeiten, sie sind unbeaufsichtigt zu Hause eingeschlossen oder laufen draußen herum. Meine Erfahrungen habe ich in der Vorbereitung auf den Besuch zum Anlass genommen, mit den Kindern konkret über Armut und Ungerechtigkeit zu sprechen.

Wie gehen die Kinder damit um?

Tabea Thomaschke: Wirklich sehr offen und positiv. Uns war es wichtig, dass wir uns gemeinsam überlegen, was wir konkret tun wollen und können. Auf unserer Kinderkonferenz haben die Kinder dann Ideen gesammelt und gemeinsam entschieden, für einen Weihnachtsbasar zu basteln und die Objekte zu verkaufen. Das Geld übergeben wir dann an Isabel, sie wird es vor Ort konkret für die Kinder verwenden, zum Beispiel für Spiel- und Lernmaterial oder auch Geschenke.

Wie wirkt diese konkrete Form des interkulturellen Austauschs auf die Kinder?

Tabea Thomaschke: Von Anfang an hatte Isabel, obwohl sie nur Spanisch spricht, viel Kontakt mit den Kindern. Sie verständigen sich prima auch mit Gesten, Zeichen und Mimik usw. Einige spanische Lieder singen wir schon gemeinsam. Was das Projekt angeht, haben die Kinder sich unglaublich empathisch gezeigt. Sie suchen den Kontakt zu Isabel und zeigen ihr im Atelier stolz die neuen gebastelten Dinge, die sie verkaufen wollen. Durch das gesamte Projekt, die gemeinsame Entscheidung über das Ziel, das Herstellen der Basteleien und den Verkauf, haben wir es geschafft, den Kindern zu zeigen, dass auch sie etwas konkret bewirken können. Das ist eine großartige Erfahrung.

An welche Situation erinnern Sie sich besonders gern?

Tabea Thomaschke: Ein Kind hatte anfänglich Berührungsängste gegenüber Isabel. Sie fühlte sich ganz offensichtlich unwohl in ihrer Gegenwart, so hat es uns auch die Mutter berichtet. Ich habe daraufhin das Gespräch gesucht und mit dem Kind über Fremdheitsgefühle gesprochen. Wichtig war mir dabei, dem Kind zu zeigen, dass Isabel sich genauso in der Fremde befindet und sich vielleicht fürchtet vor dem vielen Unbekannten, was ihr hier begegnet. Bei dem Kind konnte ich damit den Impuls wecken, Isabel zu helfen. Es ist inzwischen unglaublich engagiert und mitfühlend Isabel gegenüber und hilft ihr, wo es geht. Das ist sehr bewegend.

Wie geht es weiter?

Tabea Thomaschke: Isabel wird mit dem Kindergarten in Kontakt bleiben. Sie hat in Santo Domingo auch den Besuch vorbereitet und den Kindern viel von Deutschland erzählt. Wir möchten gern einen Briefkontakt mit dem Kinderhaus herstellen und uns mit Bildern auf dem Laufenden halten, was jeweils so bei den anderen passiert. Das ist ein seltener und wertvoller Einblick in eine andere Kultur für alle Kinder.

Was bedeutet der Austausch für Isabel De La Cruz? Wir haben nachgefragt.

Was bedeutet der Besuch in Hürth für Sie, welche Anregungen, Eindrücke nehmen Sie mit nach Santo Domingo?

Isabel De La Cruz: „Es bedeutet mir sehr viel hier sein zu dürfen. Ich bin noch niemals zuvor in einem anderen Land gewesen und es erstaunt mich, dass in Deutschland alles so ruhig und organisiert ist. Man hört keinen Lärm auf der Straße. Alles, was ich bei den Wasserkäfern lerne, möchte ich mit meinen Kollegen teilen, damit sie davon profitieren können.  Der Alltag in einem Fröbel-Kindegarten ist ganz anders als in der Dominikanischen Republik. Der gesamte Tagesablauf ist strukturiert und durchorganisiert.“

Gab es einen Lieblingsmoment, etwas, was Sie besonders bewegt hat?

Isabel De La Cruz: „Für mich ist jeder Moment mit den Kindern in Deutschland etwas ganz Besonderes. Wenn die Kinder mich sehen, singen sie mir die spanischen Lieder vor, die ich ihnen beigebracht habe. Das macht mich glücklich. Ich habe in meiner Heimat einen Sohn und eine 3-jährige Tochter, die ich jeden Tag sehr vermisse.   Als ich einmal sehr großes Heimweh hatte, kam ein kleiner Junge auf mich zu und hat mich getröstet. Das war ein sehr spezieller Moment für mich. Die Kinder im Fröbel-Kindergarten muntern mich immer auf. Sie sind aufgeweckt und motiviert. Wenn ich im Atelier Handarbeiten mache, kommen alle und wollen mitmachen.“

Was denken Sie, können Sie und die Wasserkäfer voneinander lernen?

Isabel De La Cruz: „Wir können viel voneinander lernen.  Im deutschen Kindergarten läuft alles sehr organisiert ab und es gefällt mir, dass sich alle pädagogischen Angebote immer nach den Wünschen und Interessen der Kinder richteten. Die Kinder bestimmen den Lehrplan und dürfen viele Entscheidungen treffen.  In der Dominikanischen Republik sind die Menschen jedoch stärker mit einander verbunden. Alle Generationen leben unter einem Dach.  Die Menschen passen aufeinander auf und helfen sich gegenseitig. In Deutschland sind die Menschen distanzierter. Jeder ist mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Sie machen sogar Termine um sich mit Freunden zu treffen.  Ich denke, dass die Deutschen von unserer Kultur das Gefühl von Liebe und Gemeinschaft lernen können.“